Ausbildung Kameramann:
Mediengestalter Bild und Ton
Im eigenen Interesse
Ein beliebter Ausbildungsweg für junge Kameraleute ist der Mediengestalter Bild und Ton. Der wurde oft kritisiert. Zu wenig Praxis, zu viele Leute, die in den Markt gespült werden. Knut Sodemann von Multivision Filmproduktion Hamburg bildet seit zwölf Jahren Mediengestalter aus. Am Beispiel seines Unternehmens zeigt er, worauf es ihm ankommt.
Filmhochschule oder Set. Wer Kameramann werden will, wählt einen dieser Wege – oft sogar einen Mix aus beiden, Praktika bei Rental-Häusern und Technikabteilungen inklusive. Als 1996 der Mediengestalter Bild und Ton als neuer Ausbildungsweg geschaffen wurde, war bereits angelegt, dass dieser sich zum dritten Weg mausern würde. Der Mediengestalter wurde als Ausbildung bewusst sehr generalisiert angelegt, um eine möglichst breite Basis als Ausgangsqualifikation zu schaffen. Hier soll dann in den spezialisierten Bereichen der Medienbranche darauf aufgebaut werden.
So ist es seit 2012 möglich, einen Meisterabschluss abzulegen. Darüber hinaus gibt es Anschlussqualifikationen, wie den Kameraassistenten oder Filmeditor. In Köln, München und Leipzig bietet die IHK eine Weiterbildung zum Geprüften Kameramann (IHK) an. Der Schwerpunkt liegt auf der technischen Komponente. Da die 36-monatige Ausbildung jedoch immer neben den Unterrichtsblöcken in den Berufsschulen mit einer praktischen Ausbildung in einem Betrieb einhergeht, gelangt der gestalterische Aspekt wie von selbst in den Arbeitsalltag.
AUSBILDUNGSBETRIEB FÜR MEDIENGESTALTER BILD UND TON
Doch hier liegt auch die Crux der Ausbildung. Es klingt wie ein Allgemeinplatz. Der ausbildende Betrieb ist der Dreh- und Angelpunkt einer guten Ausbildung. Schaut man in das „Berufenet“ der Agentur für Arbeit, steht dort unter dem Punkt „Typische Branchen“:
„Mediengestalter/innen Bild und Ton finden Beschäftigung
- in Unternehmen der Filmwirtschaft
- bei Rundfunkveranstaltern
- in Medien- und Werbeagenturen“
Diese Firmen bilden auch aus. Hier wird bereits offensichtlich, dass eine branchenweite, inhaltlich halbwegs konsistente Ausbildung zum Kameramann gar nicht möglich ist. Die Gründe dafür fangen bei der unterschiedlichen Ausstattung der Firmen an und hören bei der zweifelhaften Zugehörigkeit zur Gruppe der „Unternehmen der Filmwirtschaft“ nicht auf.
„Also, was die in der Schule lernen, ist hauptsächlich theoretischer Hintergrund. Aber die wichtige praktische Erfahrung bekommen die hier im Betrieb“, sagt Knut Sodemann. Der Kameramann bildet seit 2005 an Kamera, Tonangel und Schnittplatz Mediengestalter Bild und Ton aus. Er gründete 1987 seine Firma Multivision Filmproduktion Hamburg zusammen mit einem Kompagnon, der aus dem damals jungen Feld der Computergrafik kam. Sodemann selbst wurde in Berlin an der Staatlichen Fachschule für Optik und Fototechnik (SFOF) ausgebildet. Von 1984 bis 1986 besuchte er die Schule, die starken Schwerpunkt auf den handwerklichen Bereich setzte, damals zusammen mit dem späteren DoP Frank Griebe … Wenn wir kreative Projekte machen wollten, wurden uns eher Steine in den Weg gelegt.“ Während des Studiums begann er bereits von seiner Ein-Zimmer-Bude aus mit eigenem Equipment Industriefilme zu drehen, woraus auch die Gründung des Unternehmens hervorging.
Damals war der Abschluss der des Kameraassistenten.
„Damit waren wir für alles an der Kamera zuständig, Material, Kamera an sich und die Objektive.“ Es war sowohl möglich, als Filmkameraassistent zu arbeiten, als auch zu den öffentlich-rechtlichen, und später auch privaten, Sendern zu gehen. Doch Sodemann spezialisierte sich auf Industriefilm, schaffte einen U-Matic-Schnittplatz an, dann kam eine Beta SP-Ausrüstung dazu, die schließlich Mitte der 1990er auf DigiBeta umgestellt wurde.
„Von Anfang an war es so, dass ich schon für die lndustriedrehs Praktikanten mitgenommen habe, die sich bei mir beworben hatten“, erinnert sich Knut Sodemann. „Die halfen da erst mal im Drehbereich und beim Ton.“
Anfang der 1990er veränderte sich die Ausrichtung des Unternehmens. Sodemann arbeitete verstärkt auch für Fernsehsender, versorgte Boulevardmagazine von Sat.1 und RTL und machte für den 1994 neu gegründeten Musiksender Viva erst Werbung, dann einstündige Musikerporträts. „1994 hatte ich dann einen Praktikanten, der schon seit zwei Jahren dabei war. Der erfüllte Aufgaben eines Praktikanten, wurde aber als Feier Mitarbeiter bezahlt, wenn er auf Produktionen rausging.“ Sodemann nahm damals Kontakt zur Industrie- und Handelskammer auf und erkundigte sich nach den Möglichkeiten, das zu einem Ausbildungsberuf zu machen. Damals jedoch war das noch nicht in Planung.
VOM PRAKTIKANT ZUM AUSZUBILDENDEN
Mit der Ausbildung begann Sodemann vor allem aus eigenem Interesse, da seiner Meinung nach nicht genügend freie Leute am Markt waren, die er buchen konnte. Doch schon damals hätte er ein echtes Ausbildungszeugnis dem Praktikantenzeugnis vorgezogen. Für ihn war damals das Thema erst mal erledigt. Erst Anfang der 2000er erfuhr er, dass es seit Ende der 1990er den Mediengestalter gab. „Deshalb habe ich erst 2005 angefangen auszubilden.“ Seitdem bildet Sodemann mindestens einen Mediengestalter mit Schwerpunkt Kamera, oft parallel auch einen mit Schwerpunkt Schnitt aus. „Früher waren beide Bereiche noch zusammen, und nach der Ausbildung konnte man sich dann für einen Bereich entscheiden. Inzwischen wird es von Anfang an getrennt in Richtung Video-Editor oder Bild und Ton. Es sind aber die gleichen Klassen und auch teilweise die gleichen Lehrer, die arbeiten da zusammen.“
Der Sitz des Unternehmens ist in Hamburg direkt an der Alster, im Stadtteil St. Georg. Seine Auszubildenden besuchen die Berufsschule G16 in Farmsen, hier findet der Unterricht statt. „Dort gibt es dann Schnittplätze, ein kleines Studio und die Kameras. Also eine klassische duale Ausbildung mit Blockunterricht“, erklärt Sodemann. „Die Azubis sind mindestens zwei Monate hier im Betrieb und dann meistens vier Wochen in der Schule. Aber das variiert immer leicht.“
Der Ablauf der Ausbildung ist bei Sodemann nicht streng geregelt. Die Projekte kommen ja auch nicht immer auf die gleiche Weise rein. Das kann schon mal dazu führen, dass er Dinge erwartet, für die er noch keine Gelegenheit hatte, sie zu erklären, weil kein entsprechendes Projekt im Haus war. Sodemann versucht, in der Ausbildung mit Ton anzufangen, über EB-Ton, Kamera einrichten und Auflagemaß einstellen bis hin zum Beschriften der Datenträger – die Basis ist für gewöhnlich in drei Monaten drin. „Dann werden sie immer mehr an die Kamera herangeführt, dass sie die auch fertig machen müssen. Dann schicke ich sie vor die Tür, direkt an die Alster und dann werden mal Schwäne, Segelboote oder Sonnenuntergänge gedreht“, erläutert Sodemann. „Wenn dann einer mal fragt, ob er auf eine Veranstaltung oder eine Hochzeit etwas ausleihen kann, da freue ich mich! Das ist das beste Training, was man haben kann. Da können die auch gerne eine Kamera mitnehmen und loslegen.“
WICHTIGE BASICS
Nach über 30 Jahren Berufserfahrung ist Knut Sodemanns Hauptjob immer noch das, was er am liebsten macht: der des Kameramanns. Geschäftsleitung, Disposition und Ausbildung gehören dazu, für ihn aber ist es wichtig, auch als Unternehmer immer noch Projekte selbst durchzuführen. Sodemann, der bei technologischen Neuerungen oft einer der ersten war, der diese umsetzte, hält die technischen Entwicklungen der letzten Jahre für sehr positiv. „Es bringt mehr Spaß“, ist er sich sicher. „Es schimpfen zwar immer alle, dass es jetzt so viele Kameras und Codecs gibt. Ich freue mich darüber, dass wir inzwischen auch im Videobereich für jede Anwendung das richtige Werkzeug in einer hervorragenden Qualität haben.“ Gerade die junge Generation, die er ausbildet, hat so rein technisch eine viel größere Palette an Produkten zur Hand, die auf das jeweilige Projekt abgestimmt werden kann.
In seiner Zeit als Kameramann und Ausbilder haben sich für Sodemann ein paar wichtige Aspekte herauskristallisiert, die er als grundlegend für jeden Mediengestalter hält. „Bei einem Interview ist der Ton wichtiger als das Bild. Es fällt mir schwer, das als Kameramann zu sagen, aber so ist es“, sagt Knut Sodemann. „Deshalb ist die Funktion des Tonmanns einfach wichtig!“ Er erläutert, er habe selten Diskussionen über das Bild gehabt, über einen unschönen Schatten, aber wenn der Ton nicht stimmte, flog er schon mal auf eigene Kosten ein zweites Mal nach Dresden, um die Aufnahme zu wiederholen. Hier sieht er die Entwicklung am Markt mit großer Sorge. Seit den 1990ern werden die Teams kleiner, von Drei-MannTeams zu den – im schlimmsten Fall – heutigen VJs. Hier setzt dann der zweite Aspekt an, den er wichtig findet, aber in der Ausbildung am Markt für unterrepräsentiert hält. „Der wirtschaftliche Teil nimmt zu wenig Raum ein“, so der Kameramann. ,, Die müssen zwar mal einen Film kalkulieren, aber da steht dann drin, was es kostet, wenn sie eine Kamera ausleihen. Aber Honorare kalkulieren oder lernen, was man später als Freiberufler auf die Rechnung schreibt, das ist ein großes Manko.“
Er ist ein großer Befürworter der Idee des BVFK, an die Ausbildungsstätten zu gehen und dort Vorträge und ein Q&A zum Thema Kalkulation zu machen. „Ansonsten ist das eine gefährliche Situation, für die anderen Freien, aber auch für sie selbst. Denn ein Preis, den ich erst mal kaputt gemacht habe, kriege ich nicht mehr erhöht.“ Er selbst machte diesen Fehler zu den Anfängen der Industriefilmzeit in Berlin. Schlicht, weil er zu wenig von den damals herrschenden Honorarstrukturen wusste. Erst über Gespräche mit anderen Kameraleuten, die das gleiche Feld bespielten, kam er dahinter und konnte langsam dagegen steuern. „Es hat eine Weile gedauert, bis ich da meine eigene Preisstruktur erarbeitet hatte.“ Für Sodemann ist auch der Blick über den Tellerrand wichtig. Das fängt beim Dreh an: Wenn der Auszubildende keine Lust auf Ton hat, ist das schwierig. Und das geht im Wecken des Interesses an den anderen Zweigen des Unternehmens weiter. Bei Multivision Filmproduktion Hamburg müssen die Mediengestalter mit Schwerpunkt Kamera auch mal an den Schnittplatz, und die Editoren mal raus zum Dreh. Das schult vor allem auch den Blick für die Probleme der anderen Abteilungen und schult die Kommunikation untereinander. „So haben auch alle die Neugier, in den Schnitt reinzugucken, was sie gedreht haben. Wenn es nicht optimal ist, dann wird darüber geredet“, sagt Sodemann.
ABSCHLUSSFILM
Die Mediengestalter machen zum Ende der 36 Monate ihrer Ausbildung ein Abschlussprojekt, überwiegend ein selbst gedrehter Film. Mit Erstellung und Abnahme hat Sodemann jedoch nichts zu tun. Dafür stehen Schulmittel zur Verfügung, auch wird in überwiegendem Maße deren Ausrüstung genutzt. Das ist schlicht der Tatsache geschuldet, dass nicht alle Ausbildungsbetriebe gleich gut ausgestattet sind.
Das Ziel der Ausbildung ist für Knut Sodemann in der Regel die Übernahme in das Unternehmen. Aktuell sind zwei ehemalige Mediengestalter für Kamera und für Schnitt fest bei ihm beschäftigt. Einige ziehen auch das Dasein als Freiberufler vor. „Mit vielen anderen, die hier gelernt haben, arbeiten wir eng als Freie zusammen. Entweder wir buchen sie regelmäßig als Assistenten oder sie buchen bei uns Ausrüstung und Leute dazu.“ Wenn sie im Markt geblieben sind, sind sie überwiegend noch im engen Kontakt.
In der Ausbildung kollidieren natürlich auch Projekte mit dem Unterricht. Die Buchung eines Kunden mit tollem Projekt orientiert sich ja nicht an den Zeiten, für die eine Berufsschule den Blockunterricht angesetzt hat. Hier kommen Mediengestalter in die Bredouille. Der Unterricht ist wichtig, doch eine Erfahrung beim Dreh kommt vielleicht so nicht wieder. Was hier vielleicht den höheren Lerneffekt hat, ist für Kameraleute vermutlich später einfacher einzuschätzen, als für Auszubildende. Aktuell macht Sodemann mit Multivison Filmproduktion Hamburg Werbung, Magazinbeiträge, Dokumentationen, und bis zum letzten Jahr auch Modefilme. Bekannte Stücke von ihm sind das erste TV-Interview mit Edward Snowden vom Januar 2014, das er über Cinecentrum und NDR zusammen mit dem Journalisten Hubert Seipel in Moskau führte. Für den Halbstünder gab es 2014 den Deutschen Fernsehpreis. Ein halbes Jahr später folgte in gleicher Zusammensetzung ein Interview mit Wladimir Putin. Beide Male mit dabei: Michael Menke, ehemals Auszubildender Mediengestalter Bild und Ton.
Text: Timo Landsiegel (veröffentlicht im Film & TV Kameramann 12/2016)